Predigt 2012
Wer bei einer Israelreise den Ort Kana in Galiläa besucht, kann dort natürlich als Souvenir Wein mit entsprechend gestaltetem Etikett kaufen. Mit Kana verbinden wir heute noch das sog. „Weinwunder“. Der Evangelist Johannes hat darüber hinaus ein besonderes Gespür für den Symbolgehalt der Worte und der Sprache. Wein, noch dazu bei einer orientalischen Hochzeit steht für Lebens- und Festesfreude. Darüber hinaus ist im AT der Wein das Symbol für die Liebe Gottes, der das Leben, die Freude und die Anlässe für Feste schenkt.
„Sie haben keinen Wein mehr“ – bei einer Hochzeit, die Tage dauert und das schönste Fest im Leben des Brautpaares sein soll, das ist eine alarmierende Feststellung. Freilich, etwas nüchterner könnte man sagen, die Welt geht nicht gleich unter: Für eine Hochzeitsgesellschaft, die eh schon einiges getrunken hat, ist es ein Stimmungsdämpfer, für einige Verantwortliche eine Blamage mit garantiert schlechter Nachrede für lange Zeit, für das Brautpaar eine Enttäuschung, ein schlechter Start ihrer Ehe, aber das sagt nicht unbedingt etwas für die Zukunft
Der Evangelist Johannes sieht freilich tiefer: Sie haben keinen Wein mehr - heißt bei ihm - es fehlt ihnen, es fehlt den Menschen grundsätzlich die Liebe, die innere Lebendigkeit, die von Gott kommt, alles ist wie zu Stein, zu totem Buchstaben des Gesetzes geworden. Wahre Gemeinschaft, Freude, Miteinander, Liebe, Zukunft – all das fehlt, bevor Christus beginnt sich zu offenbaren, all das drohte auch später, auch uns heute wieder auszugehen.
Das ist der Grundtenor von vielen sich überschlagenden schlechten Nachrichten, die täglich auf uns eindringen, die in uns eindringen möchten. Trotz des materiellen Überschusses, der vollen Weinregale ist die Festtagsstimmung in unserer Gesellschaft, auch in unserer Kirche, in so machen Bereichen am Kippen. Von der allgemeinen Aufbruchsstimmung in den Jahren des II. Vat. Konzils wissen nur mehr die Älteren unter uns. Es tut aber allen gut, davon zu hören. Es tut auch gut, sich neu auf die ganze Botschaft des Konzils zu besinnen und in keine Richtung eine Auswahl zu betreiben. Das Jahr des Glaubens, in dem wir heuer unser Medaillenfest begehen, ist eine Gelegenheit, bzw. will es sein, den Schatz des Glaubens in seiner Fülle selbst neu zu entdecken und auch anderen zu zeigen.
Vielleicht denken jetzt manche – wohl auch zurecht – die Schilderung des Negativen, des Mangels ist noch nicht deutlich genug. Die Kurve hin zu einem neuen Aufbruch, wie immer der dann aussehen mag, ist zu schnell genommen. Ich möchte dennoch fortfahren, einige Überlegungen diesbezüglich zu bringen. Sie stammen aus dem Beitrag unseres Generalsuperiors bei der letzten Weltbischofssynode. Er hat diese Gedanken und alle Anstrengungen auf dieser Synode Jesus Christus, dem Verkünder des Evangeliums an die Armen, und Maria, seiner Mutter, Unsere Liebe Frau von der Wunderbaren Medaille, anvertraut:
Das Thema der Weltbischofssynode war bekanntlich die Berufung der Kirche und aller Gläubigen in ihr zur Weitergabe des Glaubens. Es ist dies, so können wir sagen, das Uranliegen Marias, die uns dafür als Instrument ihre WM geschenkt hat.
Um das Geschenk des Glaubens weiter zu geben, ist folgendes zu beachten: Es beginnt mit einem Augenblick der Gegenwart: Gegenwart, die wir Gott nennen, und Gegenwart, die wir finden, indem wir uns für andere öffnen. In Gottes Gegenwart sammeln wir die Kraft für diejenigen, die Gott uns auf unseren Wegen entgegenführt, da zu sein. Maria erkennt in Kana die Not, die Armut inmitten einer ausgelassenen Hochzeitsgesellschaft. Sie war anwesend und hat zugehört: Unser Zuhören richtet sich zuerst auf das Wort Gottes, auf Gott, der uns in den Sakramenten und in den Armen begegnet. Im “inneren Raum” unserer Seele erlauben wir Jesus in die Stille unseres Herzens einzutreten, um uns Tag für Tag auf unserem Weg zu begleiten. Dies bringt uns zu den äußeren Räumen einer tieferen Beziehung zur Welt und zu den anderen Menschen. Bevor wir lehren und verkünden können, müssen wir zuerst zuhören. Maria hat in Kana zugehört und sie geht anschließend zu Jesus. Sie kommt nicht mit fertigen Ratschlägen, mit einem Rezept für die Not. Sie macht Jesus aufmerksam und weist gleichzeitig die Diener an, auf Jesus zu hören, zu tun, was er sagen wird.
Von Maria können wir lernen, sensibel zu werden für die Not der Menschen inmitten einer Überflussgesellschaft, empfindsam werden für die vielfältigen, oft schamhaft versteckten Probleme unserer Gesellschaft, lernen, die beginnende Armut und Not der Menschen zu spüren. Diese sollen wir dann zu Jesus tragen.
Er wird zu der Stunde, die er für richtig hält, das Seinige tun. "Seine Stunde", nicht unsere Wünsche, Ansprüche, Vorstellungen bestimmt den Zeitpunkt der notwendigen Tat.
D. h. aber nicht einfach die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten. Denn Maria sagt den Dienern: Was er euch sagt, das tut! Und diese Diener sind wir.
Gegenwärtig sein und Zuhören ermöglicht der Gnade Gottes uns zum Dienst zu führen, in Jesu Namen für Andere meine Talente einbringen.
Von uns werden keine Wunder erwartet. Wir sollen vielmehr unsere eigene Armut und Bedürftigkeit vor Gott wahrnehmen und sensibel werden für die Not der anderen. Wir sollen dann das tun, was in unseren oft schwachen Kräften liegt. Gott schenkt aus seinem Reichtum den "Wein" in Fülle, den wir zum Leben brauchen.
Wenn wir spüren, dass der "Wein" ausgeht, weil Einsamkeit zunimmt, Misstrauen untereinander wächst, dann ist es Zeit, Hoch an der Zeit, sich mit Maria wieder Jesus zuzuwenden. Bieten wir ihm das "Wasser" unseres Alltages an: Er wird aus Einsamkeit Gemeinschaft wachsen lassen, aus Angst Vertrauen und Zuversicht, aus Misstrauen frohe Gelassenheit und Glauben.
Amen.